zwanzigzehn / zwanzigelf
Olavo Schneider 20.10. - 16.12.2011
Verbandshaus Südwestmetall in Aalen
Populäre Zahlenmystik stachelt angesichts des Titels dieser Ausstellung unsere Deutungslust an. Fast zwangsläufig drängt sich einen Monat nach Nine-Eleven ein entsprechendes Szenario vor. Was hat sich twentyten/twentyeleven ereignet? Oder verbirgt sich hinter der Zahlenkombination womöglich eine düstere Prophezeiung? Ich darf Sie beruhigen; Sie brauchen Ihren Kopf nicht zu strapazieren. Dieser Titel ist wie vieles andere bei Olavo völlig prosaischer um nicht zu sagen banaler Natur. Die meisten Arbeiten sind 2010 und 2011 entstanden. Und die Kabbalistik ist nichts anderes als eine Datierung.
Ganz kopflos kommen wir diesem Maler indes nicht bei. Sein Schaffen ist janusköpfig. Oder dialektisch. Das Außerordentliche bedarf des Banalen um als solches erkannt zu werden; das Gute bedingt das Böse und das Schöne das Hässliche, die Harmonie die Dissonanz und das Vollkommene das Zerstörerische. Seine Leinwände und die Arbeiten auf Papier offenbaren diese Ambivalenz nicht auf den ersten Blick. Die Augen müssen gut zuhören können, um das Geraune und Gewisper, das gespenstische Säuseln und die Schreie der Wut und des Schmerzes zu vernehmen, das aus den Bildern zu ihnen spricht. Am Kopf kommt man nicht vorbei. Der Schaltzentrale. Wo die Bilder entstehen. Und wo sie empfangen werden.
Köpfe spielen im Werk von Olavo eine wichtige Rolle. Das ist ein wichtiger Aspekt, den diese Ausstellung hier in Skulptur, Zeichnung und am Gegenstand orientierter Malerei zeigt. Bemalte Häupter, die in ihrem maskenhaften Ritualcharakter weit zurück in die Menschheitsgeschichte zu weisen scheinen, "Frau Sonne und Herr Mond" als vergnügte Doppelkopfvariante auf Leinwand (über die Funktion der Axt, die unter den beiden Außerirdischen das Bild in zwei ganz unterschiedliche Hälften teilt, müssen Sie sich selbst den Kopf zerbrechen); "Unter Geiern" zitiert Karl May auf eine burleske, ja grell-süffisante Weise beim tête à tête. Dass dieses Bild im Büro von Jörn Makko hängt, hilft einem bei der Interpretation natürlich nicht weiter... Der plastische "Große Kopf mit Furchen" wiederum trägt die Insignien eines weiteren signifikanten Merkmals von Olavos künstlerischer Handschrift und Philosophie - die Male der Zerstörung, die Versehrung des
Verbandshaus Südwestmetall in Aalen
Populäre Zahlenmystik stachelt angesichts des Titels dieser Ausstellung unsere Deutungslust an. Fast zwangsläufig drängt sich einen Monat nach Nine-Eleven ein entsprechendes Szenario vor. Was hat sich twentyten/twentyeleven ereignet? Oder verbirgt sich hinter der Zahlenkombination womöglich eine düstere Prophezeiung? Ich darf Sie beruhigen; Sie brauchen Ihren Kopf nicht zu strapazieren. Dieser Titel ist wie vieles andere bei Olavo völlig prosaischer um nicht zu sagen banaler Natur. Die meisten Arbeiten sind 2010 und 2011 entstanden. Und die Kabbalistik ist nichts anderes als eine Datierung.
Ganz kopflos kommen wir diesem Maler indes nicht bei. Sein Schaffen ist janusköpfig. Oder dialektisch. Das Außerordentliche bedarf des Banalen um als solches erkannt zu werden; das Gute bedingt das Böse und das Schöne das Hässliche, die Harmonie die Dissonanz und das Vollkommene das Zerstörerische. Seine Leinwände und die Arbeiten auf Papier offenbaren diese Ambivalenz nicht auf den ersten Blick. Die Augen müssen gut zuhören können, um das Geraune und Gewisper, das gespenstische Säuseln und die Schreie der Wut und des Schmerzes zu vernehmen, das aus den Bildern zu ihnen spricht. Am Kopf kommt man nicht vorbei. Der Schaltzentrale. Wo die Bilder entstehen. Und wo sie empfangen werden.
Köpfe spielen im Werk von Olavo eine wichtige Rolle. Das ist ein wichtiger Aspekt, den diese Ausstellung hier in Skulptur, Zeichnung und am Gegenstand orientierter Malerei zeigt. Bemalte Häupter, die in ihrem maskenhaften Ritualcharakter weit zurück in die Menschheitsgeschichte zu weisen scheinen, "Frau Sonne und Herr Mond" als vergnügte Doppelkopfvariante auf Leinwand (über die Funktion der Axt, die unter den beiden Außerirdischen das Bild in zwei ganz unterschiedliche Hälften teilt, müssen Sie sich selbst den Kopf zerbrechen); "Unter Geiern" zitiert Karl May auf eine burleske, ja grell-süffisante Weise beim tête à tête. Dass dieses Bild im Büro von Jörn Makko hängt, hilft einem bei der Interpretation natürlich nicht weiter... Der plastische "Große Kopf mit Furchen" wiederum trägt die Insignien eines weiteren signifikanten Merkmals von Olavos künstlerischer Handschrift und Philosophie - die Male der Zerstörung, die Versehrung des
Materials. Die grobmotorige Holzskulptur "Drei Freunde" schließlich darf man durchaus als Wegweiser in eine neue stilistische Richtung deuten.
Augenfällig begegnet sie uns in den beiden neuesten Arbeiten dieser Schau, den großen Leinwänden "Spuren von Herzblut". In dem aufgewühlten Meer von Rottönen kämpfen wenige zeichenhafte Formen noch ums Überleben, der Gegenstand gegen seine Auflösung in der Abstraktion. Der Maler scheint ein Signal zu stellen gegen die alltägliche Flut aus leeren Bildern und hohlem Geschwätz. So mischt er sich ein, indem er bildhaft zur Ruhe kommt und in der Fortschreibung seiner archaisch anmutenden Sandwüste "Ockerland" dem zentrifugalen Sprechblasenreigen das Epos der Leere entgegensetzt. Untertitelt sind die beiden optisch schwergewichtigen und damit sie nicht aus dem Rahmen fallen, in Eisen gefassten Werke, mit zwei Bekenntnissen: "Was immer ich mal" und "Wann immer ich mal". Sie wollen sagen, dass Olavo immer mit Herzblut bei der künstlerischen Sache ist. Und sie wollen sagen, dass er sich nie von irgendwelchen Moden hat gängeln lassen und gerne aus dem Rahmen gefallen ist.
Wohl aber haben ihn Moden, Manierismen und Marotten zu ironisch-poetischen Variationen bekannter Eigenarten inspiriert. Exemplarisch dafür steht die Serie "Elke B. (stehend)". Er spielt darin auf einen berühmten Kollegen an, der seine Motive beharrlich von den Füßen auf den Kopf stellt. Olavo wiederum kehrt den Spieß dialektisch um, indem er eine unansehnliche blaue Schaufensterpuppe porträtierte, die in seinem Berliner Atelier zur gelegentlichen ideellen Verwertung kopfüber an einem Heizungsrohr baumelte.
Diese zeichnerisch virtuose Serie lenkt unser Augenmerk auf einen weiteren wichtigen Aspekt von Olavos Schaffen: die Ambivalenz von Form und Inhalt. Wenn Olavo Hand anlegt, denkt er zunächst an die Form. Wenn er, um zunächst das Beispiel der Skulptur in Erinnerung zu rufen, das Holz mit Säge und spitzem Stahl bearbeitet, geht es darum, Strukturen des Materials offen zu legen, Maserungen zu vertiefen oder auch einschneidende Veränderungen vorzunehmen hinsichtlich der haptischen Anmutung. Zugleich wohnt jenem Akt formaler Gestaltung die brachiale Versehrung inne. Er beschädigt das Heile und erfindet etwas Neues.
Augenfällig begegnet sie uns in den beiden neuesten Arbeiten dieser Schau, den großen Leinwänden "Spuren von Herzblut". In dem aufgewühlten Meer von Rottönen kämpfen wenige zeichenhafte Formen noch ums Überleben, der Gegenstand gegen seine Auflösung in der Abstraktion. Der Maler scheint ein Signal zu stellen gegen die alltägliche Flut aus leeren Bildern und hohlem Geschwätz. So mischt er sich ein, indem er bildhaft zur Ruhe kommt und in der Fortschreibung seiner archaisch anmutenden Sandwüste "Ockerland" dem zentrifugalen Sprechblasenreigen das Epos der Leere entgegensetzt. Untertitelt sind die beiden optisch schwergewichtigen und damit sie nicht aus dem Rahmen fallen, in Eisen gefassten Werke, mit zwei Bekenntnissen: "Was immer ich mal" und "Wann immer ich mal". Sie wollen sagen, dass Olavo immer mit Herzblut bei der künstlerischen Sache ist. Und sie wollen sagen, dass er sich nie von irgendwelchen Moden hat gängeln lassen und gerne aus dem Rahmen gefallen ist.
Wohl aber haben ihn Moden, Manierismen und Marotten zu ironisch-poetischen Variationen bekannter Eigenarten inspiriert. Exemplarisch dafür steht die Serie "Elke B. (stehend)". Er spielt darin auf einen berühmten Kollegen an, der seine Motive beharrlich von den Füßen auf den Kopf stellt. Olavo wiederum kehrt den Spieß dialektisch um, indem er eine unansehnliche blaue Schaufensterpuppe porträtierte, die in seinem Berliner Atelier zur gelegentlichen ideellen Verwertung kopfüber an einem Heizungsrohr baumelte.
Diese zeichnerisch virtuose Serie lenkt unser Augenmerk auf einen weiteren wichtigen Aspekt von Olavos Schaffen: die Ambivalenz von Form und Inhalt. Wenn Olavo Hand anlegt, denkt er zunächst an die Form. Wenn er, um zunächst das Beispiel der Skulptur in Erinnerung zu rufen, das Holz mit Säge und spitzem Stahl bearbeitet, geht es darum, Strukturen des Materials offen zu legen, Maserungen zu vertiefen oder auch einschneidende Veränderungen vorzunehmen hinsichtlich der haptischen Anmutung. Zugleich wohnt jenem Akt formaler Gestaltung die brachiale Versehrung inne. Er beschädigt das Heile und erfindet etwas Neues.